die.jägerburg - Integrierte Angebote
für Familien mit verhaltensauffälligen Kindern
www.jaegerburg.de

Verhaltenstraining
Dr. Johannes Streif

 

 

 

 




 

 


Als Peter Hoeg 1993 "De Maske Egnede" (Titel der deutschen Ausgabe: Der Plan von der Abschaffung des Dunkels*) veröffentlichte, waren manche Kritiker verwirrt. An einer Stelle des Romans, der ihn nach "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" (in Dänemark zunächst kein Erfolg) endgültig international bekannt machen sollte, schreibt er:

 

Peter Hoeg
Der Plan von der Abschaffung des Dunkels
Hanser (1995) S.259

 

Noch eine Chance bekommen.

Das Kind ist meine Chance, die dritte. Wenn sie mich ansieht, direkt und lange Zeit und ohne zu urteilen, dann ist es, als sei sie die Erwachsene und ich bin ein Kind und als versichere sie mir, dass mir nichts Böses zustoßen wird. Oder als sei ich erwachsen und sie ich selbst als Kind, aber ein Kind, das noch von seinen Eltern beschützt wird, wie man es selber nie wurde. Oder nein, es ist unmöglich zu erklären, doch sie ist meine dritte Chance.

Die erste bekam ich, als Karen und Erik Hoeg mich 1973 fanden und adoptierten, am Sandbjerggard, als ich fünfzehn Jahre alt war, wofür ich ihnen ewig dankbar sein werde, und ohne die es mich nicht mehr gäbe.

 

Hoeg war kein Adoptivkind. Von den Fragen zum autobiographischen Gehalt des Buches irritiert, gab er nach Erscheinen bald für lange Zeit kein Interview mehr. Später sagte er, seine Eltern wären für ihn und seinen Bruder "perfekt" gewesen - doch die kleine Privatschule, auf die sie ihn "mit den besten Absichten" schickten, erlebte er als persönlichen Alptraum konservativer und gewalttätiger Erziehung. Mit 17 wurde er aufgrund seines Verhaltens schließlich der Schule verwiesen. Wiewohl er viel reiste und verschiedene Ausbildungen absolvierte, wohnte und schrieb er zeitweise wieder bei seinen Eltern. Als sein Debüt-Verlag "Rosinante" mit "Munksgaard" fusionierte - dem Verlag, bei dem seine Eltern Anteilseigner und Mitarbeiter waren - wurde er gar vom eigenen Vater verlegt. Die literarische Verarbeitung der Privatschulerlebnisse und der Gebrauch des eigenen Namens sorgten jedoch für eine Pseudorealität und schmerzhafte Gewissheit der Erzählung, der sich niemand leicht entziehen konnte. Da schrieb offenbar einer, der es wissen musste, weil er das Schicksal des Waisenkindes selbst erlebt hatte. Und Hoeg hatte es ja erlebt - durch die sensible Wahrnehmung seiner Umwelt, im Kopf!

Der literarische "Trick", mit dem Peter Hoeg die vermeintliche Authentizität seines Buches ins schwer Erträgliche steigert, ist ein eindrückliches Beispiel für die Offenheit unseres Empfindens, wenn Erfahrungen für uns eine Bedeutung haben. Die Nennung seines Namens als dem einer Figur des Romans verändert die Erzählung nicht, wohl aber unsere Wahrnehmung, mit der wir Hoegs Geschichte zu unserer eigenen machen. Während die Romanfigur gewissermaßen zwischen den Buchdeckeln gefangen bleibt, wird der Autor zum Erzähler, wird Hoeg zum Gegenstand unseres Mitgefühls. Wir können das verhaltensgestörte Waisenkind sehen und begreifen, weil wir an die Wirklichkeit seiner Geschichte glauben. Auf gleiche Weise können wir in die Wirklichkeit unserer Kinder eindringen - wenn wir zulassen, dass ihre Welt für uns von Bedeutung ist.

 

 

Niklas Geschichte ist eine Konstruktion. Ebenso sind die "Interviews" unter der Rubrik Stellungnahmen fiktiv. Eine Ähnlichkeit zur Geschichte lebender Personen ist beabsichtigt. Die Texte sind Bestandteil einer (umfangreicheren) Seminararbeit mit dem Titel "Konstruktivistische Philosophie und konstruierte Heimrealitäten". Die Arbeit entstand im Rahmen des Hauptseminars Psychologie "Psychologische Intervention in der Heimerziehung" bei Dr. Manfred Spindler (LMU München, 1997).

Johannes Streif                                                                                                         

 

* Wörtlich übersetzt sollte der Titel eher "Die geeignete Maske" lauten.
 

 

 

 

Home ] Nach oben ] 

Alle Texte, Bilder und graphischen Darstellungen
Copyright © Johannes Streif; Kopien oder Gebrauch
nur nach persönlicher schriftlicher Genehmigung
Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss, der für
das gesamte Internet-Angebot von therapaed gilt
Bei Fragen zur Homepage: webmaster@therapaed.de 
Bei Fragen zu therapaed: info@therapaed.de    
Copyright  © 2001 Johannes Streif / Impressum