die.jägerburg - Integrierte Angebote
für Familien mit verhaltensauffälligen Kindern
www.jaegerburg.de

Verhaltenstraining
Dr. Johannes Streif

 

 

 

 




 

 

 

Der Arzt dient der Gesundheit des
einzelnen Menschen und der Bevölkerung.
Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe.
Er ist seiner Natur nach ein freier Beruf.

Aufgabe des Arztes ist es, das Leben
zu erhalten, die Gesundheit zu schützen
und wiederherzustellen, Leiden zu lindern,
Sterbenden Beistand zu leisten und an
der Erhaltung der natürlichen
Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre
Bedeutung für die Gesundheit der
Menschen mitzuwirken.

Zitat:
Aufgaben des Arztes
.
Deutsche Berufsordnung für
Ärzte in der Fassung von 2002

 

 

Hipprokrates
(* 460 v.Chr.)
Marmorstatuette
Ephesos,
ca. 1. Jhd. v.Chr.

Arzt als Beruf und Berufung

Der Arztberuf ist die älteste professionelle Tätigkeit in der Sorge um den Menschen. Bereits vorchristliche Kulturen in China, Arabien, Ägypten, Griechenland und Rom verfügten über Personen, deren wissenschaftliches Streben und berufliches Arbeiten der Heilung von Krankheiten gewidmet waren. Von Beginn an verband die ärztliche Praxis Beratung und Medikation, d.h. das geistige Einwirken auf die gesunde, richtige Lebensweise und den körperlichen Eingriff durch Substanzen. Insbesondere die ethischen Grundsätze der Medizin, wie sie der Grieche Hippokrates rund 400 Jahre vor Christus aufstellte, prägen bis heute das Selbstverständnis der Ärzte.

 

Der historische Vorrang des Arztes in der Therapie von Krankheiten hat sich bis heute erhalten. Obwohl approbierte, d.h. gesetzlich zugelassene Psychotherapeuten in Deutschland seit Geltung des Psychotherapeutengesetzes (2000) den Ärzten in Hinsicht auf ihren Status als Primärtherapeuten gleichgestellt sind, bleiben dem Arzt vielfach exklusive Diagnose- und Therapieformen vorbehalten. Das bedeutendste Vorrecht ist dabei zweifellos die Verschreibung von Medikamenten. Auch befähigt die Ausbildung der Ärzte eher als jene der nichtärztlichen Psychotherapeuten zur umfassenden Beurteilung der körperlichen Verfassung eines Patienten. Daher sollte auch bei psychischen Erkrankungen der Arzt erste Wahl auf der Suche nach professioneller Hilfe sein.

 

Psychologen
Andere Berufe
Selbstdiagnose
Entbehrlich

Fachärzte

Einzelne Facharztrichtungen bzw. ihre Vertreter sind aufgrund von Ausbildung und praktischer Tätigkeit eher als die übrigen geeignet, die Diagnose einer Hyperkinetischen Störung zu stellen. Dazu zählen im Kindesalter die Kinder- und Jugendpsychiater, die Pädiater (Kinderärzte) sowie die Sozialpädiater (i.d.R. Kinderärzte mit Zusatzqualifikationen im Bereich der öffentlichen Gesundheit sowie der Psychiatrie); da viele Kinder v.a. in ländlichen Gebieten dieselben Allgemeinärzte wie ihre Eltern aufsuchen, sind nicht wenige Fachärzte für Allgemeinmedizin im Bereich der Pädiatrie bzw. Kinder- und Jugendpsychiatrie durchaus kundig. Nicht zuletzt verfügen Fachärzte für Neurologie aufgrund ihrer spezifischen Kenntnisse in der Hirnentwicklung über eine zunehmend bedeutsamer werdende Schlüsselqualifikation in Verständnis und Therapie von Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen. Sie sind neben den Fachärzten für Psychiatrie (und Psychotherapie) auch die naheliegenden Ansprechpartner betroffener Erwachsener.

 

Kinder- und
Jugendarzt

Kinder- und
Jugendpsychiater

Neurologe /
Radiologe

Allergologe

Augenarzt /
Ohrenarzt (HNO)

Ärzte für
Erwachsene

 

Kinder- und Jugendarzt (Pädiater)

Facharzt für Pädiatrie

Eine kinder- und jugendärztliche Untersuchung, die den allgemeinen Gesundheitszustand des Kindes erfasst, ist ein absolutes Muss bei der Diagnose einer Hyperkinetischen Störung. Sie ist nicht nur wichtig, um mögliche körperliche Ursachen von Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit abzuklären, sondern schafft zugleich die Voraussetzung für eine angemessene und v.a. sichere (medikamentöse) Behandlung.

Differentialdiagnostisch abzuklären sind hier:

- Hyperthyreose (Überangebot von Schilddrüsen-
  hormonen): Die Symptome sind u.U. mit denen
  der Hyperaktivität zu verwechseln, v.a. Unruhe
  und Nervosität
- Epilepsie (Anfallsleiden): V.a. die Symptome des
  "Petit mal" mit Augenblicken der Eintrübung des
  Bewusstseins sind leicht mit den Symptomen einer
  Aufmerksamkeitsstörung zu verwechseln
- Migräne (anfallsartig auftretende funktionelle
  Kopfschmerzen): Die Klassische Migräne wird von
  einer Reihe neurologischer Funktionsstörungen
  begleitet, die alle drei Symptomgruppen der
  Hyperkinetischen Störung betreffen
- Läsionen (Verletzungen) v.a. im Bereich des
  Frontalhirns: Die Symptomatik des sogenannten
  Frontalhirnsyndroms kann den Symptomen der
  Hyperkinetischen Störung gleichen
- Allergien (Überempfindlichkeit gegen äußere
  Stoffe): Allergien spielen als kausale Faktoren der
  Hyperkinetischen Störung allenfalls eine sehr
  untergeordnete Rolle, doch können die aus
  ihnen resultierenden Beschwerden Unruhe und
  Ablenkung begünstigen (vgl. Allergologe)

Die oben genannten Krankheiten können allerdings auch komorbid, d.h. als eigenständige Erkrankung zusätzlich zur Hyperkinetischen Störung auftreten. Häufig ist zu ihrer Diagnose ein weiterer Facharzt hinzuzuziehen, i.d.R. ein Neurologe, gegebenenfalls auch ein Radiologe (Einsatz bildgebender Verfahren) und/oder Allergologe.

Untersuchungen von Blut und/oder Urin, die von Kinder- und Jugendärzten i.d.R. in externen Labors in Auftrag gegeben werden, sollten - neben einer umfassenden Anamnese - folgende Punkte klären:

- Medikamenteneffekte (u.a. von Mitteln gegen
  Asthma, Allergien, Schlafstörungen, Epilepsie):
  Sie begünstigen bisweilen Nervosität und Unruhe
- Stoffwechselstörungen wie die oben angeführte
  Hyperthyreose, aber auch seltene, meist genetisch
  bedingte Erkrankungen; sie sind i.d.R. leicht von
  der Hyperkinetischen Störung zu unterscheiden,
  sofern bei Verdacht die richtigen Parameter
  untersucht werden
- Vergiftungen (u.a. Blei): Sie werden heutzutage
  selten beobachtet, da die Lebensbedingungen
  in den Industrieländern heute im Mittel deutlich
  gesünder sind als noch vor 100 Jahren; dennoch
  können im Einzelfall schadstoffbelastete Nahrung
  oder vergiftete Atemluft (durch Farben, Klebstoffe,
  Erwärmung von Plastik, Müllverbrennung, Verkehr)
  Symptome der Unruhe und Unkonzentriertheit
  hervorrufen
- Drogenkonsum, der v.a. mittels Rückständen im
  Urin kurzfristig nachgewiesen werden kann, ist
  weder ein Diagnosekriterium noch ein Grund, auf
  die Behandlung einer Hyperkinetischen Störung
  zu verzichten. Bisweilen hilft die medikamentöse
  Therapie Betroffenen, in einem stabilen sozialen
  Umfeld gegen die Sucht anzugehen. Allerdings
  dürfen Stimulanzien keinesfalls unmittelbar zur
  freien Verfügung an Drogenkonsumenten
  abgegeben werden - auch im Interesse der nicht
  drogengebrauchenden Nutzer der Medikamente,
  die unter möglichen Restriktionen aufgrund von
  Berichten über Missbrauch leiden.

Anamnestische Daten können Kinderärzte häufig besser erheben und in ihrer spezifischen Bedeutung einschätzen als andere Fachärzte, da sie die jungen Patienten und ihre Familien oft bereits seit langem kennen. Das ist sehr wichtig, denn aktuelle Probleme verändern auch die Sichtweise auf frühere Zustände. Verständlicherweise reagieren besorgte Eltern auf Verhaltensauffälligkeiten ihrer Kinder empfindlicher, wenn beispielsweise der Schulausschluss angedroht wurde. Wer Hilfe sucht, neigt bisweilen zu drastischen Darstellungen seiner Situation, weil viele Angebote nur "schwerwiegenden Fällen" offen stehen. Ein guter Kinder- und Jugendarzt kann Anamnese und eigene Erfahrungen mit Kind und Familie in einen weiteren Zusammenhang stellen und bewerten. Ihm fallen gegebenenfalls Veränderungen im Wesen des Kindes auf, die der zeitlich begrenzten Perspektive eines nur ausnahmsweise konsultierten Facharztes verborgen bleiben mag. Wichtige anamnestische Informationen sind insbesondere:

- Aktuelle Symptomatik aus der Perspektive des
  Betroffenen sowie seiner sozialen Umgebung
  (bei Kindern: Eltern, Lehrer, Erzieher;
   bei Erwachsenen: Partner, Freunde, u.U. Eltern)
- Bisheriger "Krankheits-"Verlauf mit Häufigkeit,
  Intensität sowie Orts- und Situationsabhängigkeit
  der Symptomatik
- Sofern möglich: Beurteilung des Vorliegens einer
  Hyperkinetischen Störung bei Blutsverwandten,
  v.a. Geschwister, Eltern bzw. Kinder

Zur Erhebung anamnestischer Daten sind die oben unter den Fragebogenverfahren beschriebenen psychologischen Tests, spezielle Anamnesebögen (z.B. der Anamnestische Elternfragebogen [1984] von G. Deegener) oder strukturierte Interviews von Vorteil. Leider gehört der Umgang mit solchen Verfahren noch immer nicht zum Standard ärztlicher Ausbildung und Praxis.

Verhaltensbeobachtung: Die Leitlinien der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen und Medizinischen Fachgesellschaften) empfehlen eine Verhaltensbeobachtung während der Exploration des Kindes oder Jugendlichen. Geachtet werden solle auf Anzeichen der Hyperaktivität. Allerdings schränken die Leitlinien die Bedeutsamkeit der Beobachtung sogleich ein, indem das Resultat kein notwendiges Kriterium der Diagnose sei - u.a. im Hinblick auf das Vorliegen einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung ohne Hyperaktivität. Ärzte sind allerdings häufig auf das Erkennen von statischen Symptomen geschult und haben bisweilen Schwierigkeiten, Auffälligkeiten, die nur in Verhaltensvariationen bestehen, zu erkennen und entwicklungspsychologisch zu bewerten. Nicht allein das beobachtete Verhalten des Patienten in der Untersuchungssituation, sondern gerade auch seine Diskrepanz zum Verhalten in Familie und/oder Schule können ein wichtiges diagnostisches Kriterium darstellen. Daher kann ein Urteil, das hauptsächlich auf Beobachtungen im wenig alltäglichen Rahmen einer ärztlichen Untersuchung beruht, leicht zu sehr einseitigen oder gar falschen Schlüssen führen. Besser als Bewertungen auf der Grundlage unstrukturierter Wahrnehmung sind Verhaltensbeobachtungen, die bestimmte - auch künstliche hergestellte - Szenen anhand fester Abläufe und Skalen beurteilen. Auf diese Weise gewonnene Informationen erlauben eine zuverlässige Einschätzung von auffälligem Verhalten, insofern nicht verhaltensgestörte Kinder in gleichen Situationen anders reagieren.

 

Auch bei psychischen Problemen sollte eine ärztliche Untersuchung stets zum Standardprogramm der Diagnosestellung gehören. Der für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen fachlich speziell ausgebildete "Allgemeinarzt" ist der Kinder- und Jugendarzt (Pädiater). Nicht nur die fachspezifischen Kenntnisse von Pädiatern und Allgemeinmedizinern  (Erwachsene) unterscheiden sich z.T. deutlich. Auch die Physiologie von Kindern weist zu der von Erwachsenen stellen- und phasenweise erhebliche Abweichungen auf. Daher sollte gerade im Fall kindlicher Auffälligkeiten, Störungen und Krankheiten nicht auf die Kompetenz des Kinder- und Jugendarztes verzichtet werden.

Vorzüge des Kinder- und
Jugendarztes:

- gutes allgemeinmedizi-
  nisches Wissen
- spezielle Kenntnisse und
  Erfahrungen in der Kinder-
  und Jugendheilkunde
- kennt den Patienten
  i.d.R. seit langem
- hat meist einen Überblick
  über die Entwicklung
  des Kindes
- hat häufig einen Einblick
  in die soziale Situation
  der Familie

Mögliche Nachteile des Kinder- und Jugendarztes:

- hat meist keine speziellen
  kinder- und jugend-
  psychiatrischen Kenntnisse
- ist meist eher auf Moment-
  als auf Prozessdiagnostik
  geschult
- psychologische Diagnostik
  wird in der Praxis i.d.R.
  nicht angeboten
- bisweilen nur geringes
  Wissen zu psychothera-
  peutischen Verfahren
  und lokalen Angeboten

Kinder- und Jugend- psychiater

Facharzt für Kinder- und Jugend- psychiatrie und Psychotherapie

Die kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik geht in den wichtigen Bereichen der Hyperkinetischen Störung über die Fragestellungen der Kinderheilkunde hinaus. Meist wird ein Kinder- und Jugendpsychiater zunächst die gleichen pädiatrischen Untersuchungen vornehmen, um sichtbare organische Ursachen der Symptomatik ausschließen zu können. Darüber hinaus ist er ein Fachmann für Verhaltensauffälligkeiten, d.h. für Symptome von Störungen, welche wesentlich in Abhängigkeit von Entwicklung und Umwelt des Kindes zu sehen sind. So ist beispielsweise nächtliches Bettnässen im Alter von fünf Jahren noch sehr häufig, während die gleiche Symptomatik bei einem zehn Jahre alten Kind anders zu bewerten ist. Ebenso kann das gleiche Verhalten seine Ursache in einer basalen neurologischen Störung oder aber der abweichenden Prägung durch die Umwelt haben: Symptome des Autismus können durch die gleichnamige Störung hervorgerufen werden, allerdings auch durch das Aufwachsen in einer sozialen Umgebung, mit der das Kind nicht kommunizieren kann (u.a. Störungen des Sprachverständnisses oder des Gedächtnisses, aber auch Umsiedlung in einen anderen Sprach- und Kulturraum). Kinder- und Jugendpsychiater sollten darauf trainiert sein, aufgrund des in einer Person vereinten medizinischen und psychologischen Wissens physische und psychische Faktoren des Verhaltens unterscheiden zu können. Ihr professioneller Blick muss die statischen Symptome mit einem Verständnis für die psychosoziale Entwicklung des Patienten vereinen, um nicht nur die momentane Störung zu behandeln, sondern eine positive Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen anzustoßen.

Differentialdiagnose in Abgrenzung von anderen kinder- und jugendpsychiatrischen Störungen:

- Störung des Sozialverhaltens: Ein gestörtes Sozial-
  verhalten ist kein Symptom der Hyperkinetischen
  Störung, kann mit ihr jedoch verbunden sein.
  V.a. die Impulsivität der Betroffenen begünstigt
  Verhaltensweisen, die anderen Personen Schaden
  zufügen, wobei der situative Vorteil antisozialen
  Verhaltens (z.B. Sieg bei einer Schlägerei) eine
  Tendenz schafft, solche Verhaltens weisen auch
  willkürlich einzusetzen. Eine Sozialverhaltensstörung
  muss unbedingt gesondert pädagogisch und
  verhaltenstherapeutisch behandelt werden.
- Entwicklungsstörungen (u.a. Motorik, Sprache,
  kognitive Fähigkeiten, aber auch Autismus):
  Entwicklungsstörungen können ähnliche Symptome
  hervorbringen wie die Hyperkinetische Störung.
  In bestimmter Hinsicht ist auch die HKS eine
  Entwicklungsstörung, insofern soziale Faktoren v.a.
  in der frühkindlichen und kindlichen Entwicklung
  auf die Hirnentwicklung einwirken. Im Fall der
  "klassischen" Entwicklungsstörungen sind Symptome
  wie Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit jedoch
  sekundärer Natur: sie sind Folgereaktionen einer
  behinderten Kommunikation der Betroffenen mit
  ihrer sozialen Umwelt. Die Entwicklungsstörung
  muss daher primär behandelt werden, da sie
  Folgen auch in anderen Bereichen menschlichen
  Verhaltens hat.
- Affektive Störungen (Depression, Manie etc.): Sie
  können Symptome der Hyperkinetischen Störung
  hervorbringen - z.B. exzessive Aktivität und starke
  Ablenkbarkeit -, jedoch auch als eigenständige
  Störungen zu einer Hyperkinetischen Störung
  hinzutreten. Die emotionalen Schwankungen bei
  affektiven Störungen zeichnen sich durch längere
  Phasen (Tage, Wochen und Monate) veränderter
  Stimmung aus, während der Affektwechsel im
  Fall der Hyperkinetischen Störung im Minuten-
  oder Stundenrhythmus geschieht. Eine solide
  Differentialdiagnose ist wichtig, da die Therapie
  von Depression oder Manie mit Stimulanzien nicht
  ungefährlich ist. Schließlich werden eine depressive
  Lebensunlust oder eine krankhafte Hochstimmung
  durch die Medikation kaum beeinflusst, während
  die Aktivität verstärkt wird. Suizide oder extrem
  risikoreiches Verhalten können die Konsequenz sein.
- Schizophrenie (Psychose ohne äußere Ursache,
  bei der viele psychische Funktionen beeinträchtigt
  sein können): Schizophrene Erkrankungen sind
  hirnorganisch bedingte Formen der gestörten
  Organisation kognitiver Prozesse. Sie gehen mit
  einem teilweisen Verlust der willkürlichen Kontrolle
  über das eigene Denken einher. Die Folge sind u.a.
  falsche Vorstellungen der Realität, Überwertigkeit
  von Ideen und Wahnvorstellungen, z.T. verzerrte
  Wahrnehmung und vermeintliche Sinneseindrücke
  (Halluzinationen), Abreisen von Gedanken und
  unlogisches Handeln. Ähnlich den affektiven
  Störungen begünstigen falsche Denkprozesse und
  eine gestörte Wahrnehmung Verhaltensweisen,
  die als Unaufmerksamkeit und Getriebenheit mit
  den Symptomen der Hyperkinetischen Störung
  verwechselt werden können. Insbesondere das
  überraschende Auftreten der Symptomatik im
  späten Kindes- sowie im Jugendalter grenzt die
  Schizophrenie von der bereits im Vorschulalter sich 
  abzeichnenden Hyperkinetischen Störung ab.
  Die seit kurzem in Wissenschaftskreisen geführte
  Diskussion um eine sogenannte "ADHD-Psychose"
  im Rahmen der Hyperkinetischen Störung hat
  bislang noch keine überzeugenden Erkenntnisse
  erbracht.
- Angststörungen (allgemeine Ängste, Ängste vor
  bestimmten Gegenständen oder Situationen,
  Panikattacken): V.a. reine Aufmerksamkeits-
  störungen sind leicht mit Angststörungen zu
  verwechseln, da Angst unsicher, unruhig und
  unaufmerksam macht. Vielleicht gibt es jedoch
  auch einen ursächlichen Zusammenhang von
  Angst- und bestimmten Formen beeinträchtigter
  Aufmerksamkeit (vgl. Ursachen der HKS), der v.a.
  für die reine Aufmerksamkeitsstörung gilt. Zwar
  sind hyperaktive Kinder meist ängstlicher als ihr
  impulsives Handeln vermuten lässt, doch treten
  generalisierte (allgemeine) Angststörungen bei
  Hyperkinetikern eher selten auf. In diesem Sinne
  profitieren Kinder und Jugendliche, die an einer
  Angststörung leiden, häufig nicht über Gebühr von
  einer Medikation mit Stimulanzien. Hier gelten die
  gleichen Warnungen wie im Fall der affektiven
  Störungen.
- Borderline-Störung (= emotional instabile Persönlich-
  keitsstörung): Unter den Persönlichkeitsstörungen
  der ICD-10 zählt die Borderline-Störung zu den
  fragwürdigsten Störungsbildern. Das sogenannte
  Borderline-Verhalten, d.h. das extreme Denken und
  Handeln an den Außengrenzen der Normalität,
  kennzeichnet die unvernünftige Übersteigerung
  an sich logischer und sinnvoller Verhaltensweisen.
  Tatsächlich weisen die Impulsivität und der rasche
  Wechsel der Emotionen bei Borderline-Patienten
  auf eine Nähe der Symptomatik zu jener der
  Hyperkinetischen Störung hin. Da das Konstrukt der
  Borderline-Störung jedoch wenig überzeugende
  Hinweise zur Entstehung und Aufrechterhaltung
  dieser Persönlichkeitsvariante bietet, ist heute
  anzunehmen, dass viele Borderline diagnostizierte
  Patienten (i.d.R. Erwachsene) letztlich an einer
  Hyperkinetischen Störung leiden. Nichtsdestotrotz
  ist eine Verfestigung von zunächst unwillkürlichem
  hyperkinetischem Verhalten zu stabilen Zügen
  einer auffälligen Persönlichkeit nicht auszuschließen.
- Tourette-Syndrom (multiple Tic-Störung): Die
  unwillkürlich einschießenden Impulse, die Menschen
  mit einer Tic-Störung zu ungewollten Bewegungen
  oder verbalen Äußerungen veranlassen, sind der
  Impulsivität als Symptom der Hyperkinetischen
  Störung sehr ähnlich. Allerdings werden für diese
  Störungen unterschiedliche neurologische Gründe
  vermutet, da Tics ein primäres Problem "falscher"
  Impulse im Gehirn sind, die Impulsivität der HKS
  jedoch ein sekundäres Problem der Impulskontrolle
  darstellt. Treten die Symptome der Hyperaktivität
  nach jenen der Tic-Störung auf, so sind sie eher
  eine Folge des Tourette als eine eigenständige
  Störung. Zeigt sich die Hyperkinetische Störung vor
  der Tic-Störung, so ist tendenziell von komorbiden
  Auffälligkeiten auszugehen. Das Tourette-Syndrom
  wird jedoch nicht - wie bisweilen behauptet - durch
  eine medikamentöse Behandlung mit Stimulanzien
  ausgelöst. Allenfalls ist unter Medikation in Einzel-
  fällen eine Intensivierung der Tics zu beobachten.

Nur wenige psychiatrische Störungen schließen sich gegenseitig aus. Daher ist es durchaus denkbar, dass die Hyperkinetische Störung bisweilen komorbid, d.h. in Gemeinschaft mit anderen Störungen (allen voran: Störung des Sozialverhaltens) auftritt. Grundsätzlich gilt jedoch: Je mehr psychiatrische Diagnosen ein Patient hat, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass keine von ihnen stimmt! Aufgabe des Psychiaters ist es, aus der Einheit der Symptome auf jene Ursache zu schließen, die alle Auffälligkeiten möglichst ohne unklaren Rest erklärt. Dazu sind bisweilen Verfahren einzusetzen, die in vielen psychiatrischen Praxen nicht vorhanden sind, deren typische Anwendung und Interpretation der Resultate vom Arzt allerdings beherrscht werden sollten.

Apparative ärztlich-psychiatrische Diagnostik:

- EEG (Elektroenzephalogramm): Die Messung der
  Hirnströme erbringt keinen schlüssigen Hinweis auf
  eine Hyperkinetische Störung. Sie gehört jedoch zur
  Routineuntersuchung im Hinblick auf Epilepsien.
  Das Vorliegen einer Epilepsie ist kein Hindernis für
  eine medikamentöse Behandlung der HKS. Dennoch
  macht es Sinn, im Fall einer Epilepsie zunächst diese
  zu behandeln und mögliche Auswirkungen auf
  die Symptomatik der Hyperkinetischen Störung
  abzuwarten. Zu wissenschaftlichen Zwecken
  werden EEGs bisweilen unter gezielter Stimulation
  abgeleitet: Die dabei zu beobachtenden sog.
  Ereigniskorrelierten Potenziale weisen im Bereich
  bestimmter Latenzen, d.h. Zeiträumen nach der
  Stimulation durch Bilder oder Töne, abweichende
  Effekte für Hyperkinetiker auf.
- Computer-Tomographie (CT - bildgebendes
  Verfahren zur Untersuchung von Hirnstrukturen,
  seltener auch zur Funktionsprüfung mittels PET =
  Positronen-Emissions-Tomographie): CT-Bilder
  erlauben die Untersuchung des Gehirns nach
  etwaigen strukturellen Schädigungen, im Fall der
  einer hyperkinetischen Symptomatik u.a. eine
  Schädigung des präfrontalen Cortex (sog.
  Frontalhirn-Syndrom). Sind eindeutige Symptome
  einer Verhaltensstörung beobachtbar, können
  diese mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
  sichtbaren Abweichungen in dafür relevanten
  Hirnarealen zugeordnet werden. Umgekehrt ist es
  allerdings schwer, aus strukturellen Schädigungen
  exakt auf bestimmte Funktionsdefizite zu schließen.
  Daher liegt der Gewinn der CT v.a. im Ausschluss
  von Krebserkrankungen (Hirntumor) oder auch 
  fortschreitender degenerativer Erkrankungen,
  welche Hirnstrukturen zerstören.
- Neuropsychologische Testung (s.o.): Bei vielen
  psychiatrischen Störungen ist eine neurologische
  Untersuchung, zu der auch neuropsychologische
  Hirnfunktionsüberprüfungen dazugehören, sinnvoll.
  Heutige Testverfahren basieren i.d.R. auf teuren
  Computerprogrammen mit zusätzlicher Hardware
  (Taster, elektronische Zeichenbretter, etc.). Oft
  wird eine derartige Diagnostik nur in Kliniken bzw.
  Klinikambulanzen angeboten. Eine zuverlässige
  Diagnose von Aufmerksamkeitsstörungen ist ohne
  apparative neuropsychologische Diagnostik
  jedoch nicht möglich.

Neben den apparativen Verfahren wird der Kinder- und Jugendpsychiater i.d.R. ebenfalls - vergleichbar dem Pädiater (s.o.) - Laboruntersuchungen von Blut und/oder Urin vornehmen lassen. Im Alltag mag etwaiger Drogenkonsum zu den interessantesten Befunden dieser Untersuchungen zählen. Dabei ist es weniger der Drogengebrauch an sich, der recht unterschiedliche Gründe haben kann, als vielmehr sein Einfluss auf praktisch jede Form der Therapie, der im Fall des Nachweises von Drogen für die weitere Vorgehensweise des Psychiaters von Bedeutung ist . Denn Drogen wirken meist unmittelbar auf das Verhalten. Sucht, die keinesfalls aus jeder Droge und allen Arten des Konsums resultiert,  ist letztlich die psychische Variante des Schmerzes. Wer jemals große Schmerzen am eigenen Leib erlebt hat, der weiß, zu welchen Handlungen wir alle fähig sind in der wilden Hoffnung, den Schmerz zu beenden. Patienten, die Drogen konsumieren, sind daher zu Zeiten, in denen sie unter dem Einfluss von Drogen stehen oder (bei Sucht) vom Verlangen nach ihnen gelenkt werden, nicht in gleicher Weise therapeutischen Interventionen zugänglich wie unter normalen Umständen bzw. im Vergleich zu Nicht-Drogenkonsumenten. Dies gilt für alle Formen psychischer oder physischer Störungen sowie für jede Art effektiver Psychotherapie.

Anamnestische Daten und Verhaltensbeobachtung sind Informationsquellen, welche der Kinder- und Jugendpsychiater "beherrschen" sollte, angesichts derer allerdings auch er natürlichen Beschränkungen bzw. einer Einengung des Blickwinkels unterliegt. Im Fall der Anamnese sind die Grenzen der Information die Grenzen der Bereitschaft von Patient und Eltern, Informationen preiszugeben bzw. Kontakte zu weiteren Informationsquellen wie Kindergarten oder Schule zu erlauben. Wird der Facharzt nur aufgrund einer isolierten Verhaltensauffälligkeit bzw. mit dem Ziel einer Diagnosestellung aufgesucht, besteht die Gefahr, dass Zeitrahmen und elterliche Absichten eine einseitige Betrachtung des Falles begünstigen. Daher ist es notwendig, auch in offensichtlich erscheinenden und dringenden Fällen eine umfassende Anamnese durchzuführen. Der einfache Bezug auf Informationen aus nur einer Quelle oder auch Vorbefunde anderer Stellen ist nicht ausreichend. Auch hier ist bei aller Erfahrung routinierter Kinder- und Jugendpsychiater die Verwendung standardisierter Fragebögen zu empfehlen, die zudem im Vorfeld eines Arztbesuches ausgefüllt werden und als Ausgangspunkt einer eingehenden mündlichen Befragung dienen können. Für Verhaltensbeobachtungen im Rahmen der medizinischen Diagnostik gilt der gleichen Vorbehalt wie im Fall der Kinder- und Jugendärzte. Allerdings können entsprechend geschulte Fachärzte, zu deren Fach die Verhaltensdiagnostik dazugehört, eher noch als andere Mediziner von situativen Beobachtungen auf zugrundeliegende Störungen schließen.

 

Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie sind nach Art und Umfang ihrer Ausbildung neben Klinischen Psychologen für Kinder und Jugendliche die eigentlichen Experten in der Diagnose der Hyperkinetischen Störung. Als mittlerweile häufigste kinder- und jugendpsychiatrische Diagnose gehört die Verhaltensauffälligkeit zum täglichen Geschäft dieser Fachleute. Dennoch zeigt sich im medizinischen Alltag, dass die Diagnosestellung häufig nicht mit der nötigen Vorsicht und dem gebotenen Aufwand vorgenommen wird. Die Fachkenntnis der Experten erscheint bisweilen mit geringerem Wissen in der Allgemeinmedizin erkauft. Zudem hat die Konsultation eines Facharztes gegenüber der kontinuierlichen Betreuung des Patienten beim Kinder- und Jugendarzt durchaus Nachteile, da erster i.d.R. nicht in gleichem Maße die umfassende Entwicklung des Kindes verfolgen kann. Die gesicherte Diagnose einer kinderpsychiatrischen Störung ist alles in allem jedoch eher auf Grundlage der Fachkenntnisse des Psychiaters zu erwarten, der im besten Fall auf die Erfahrungen des Pädiaters zurückgreift.

Vorzüge des Kinder- und Jugendpsychiaters:

- Spezielle Fachkenntnisse
  im Bereich psychischer
  Störungen des Kindes-
  und Jugendalters
- Erfahrungen in der
  Unterscheidung diverser
  Störungsbilder und
  möglicher Ursachen
- Kenntnisse zu weiteren
  diagnostischen Verfahren
- Kenntnisse zu passenden
  Behandlungsformen und
  entsprechenden lokalen
  Angeboten

Mögliche Nachteile des Kinder-&Jugendpsychiaters:

- Bisweilen isolierte Fach-
  kenntnisse ohne gutes
  allgemeinmedizinisches
  Wissen
- Art des Untersuchungs- und
  Behandlungsauftrages
  begünstigt eine einseitige
  Sichtweise auf das Kind
  und seine Familie
- Niedergelassene Kinder-
  und Jugendpsychiater
  neigen (auch aufgrund
  gezielter Konsultationen
  seitens der Eltern) zu
  Schwerpunkt-Praxen, in
  welchen eine Diagnose
  aus Gewöhnung u.U.
  vorschnell gestellt wird
- Manche Fachärzte
  bevorzugen medizinische,
  meist medikamentöse
  Behandlungsformen; das
  muss nicht von Nachteil
  für die Patienten sein,
  lässt aber bisweilen gute
  Alternativen außen vor

Neurologe, Radiologe

Facharzt für Neurologie / Nervenheil- kunde

Facharzt für Radiologie

Neurologie und Radiologie sind zwei eigenständige Facharztrichtungen, deren Kompetenzen im Rahmen der Diagnose am Rande von Bedeutung sein können.

Die Neurologie befasst sich mit Gestalt und Funktion des Nervensystems sowie dessen Veränderung durch Krankheiten oder äußere Einwirkungen. Ausgehend von ihrem Anspruch erscheint sie als die medizinische Disziplin, die der heute vermuteten Ursache der Hyperkinetischen Störung inhaltlich am nächsten steht. Tatsächlich sind einige der Wissenschaftler, die sich aktuell mit dieser Störung befassen, Neurologen. Im therapeutischen Alltag hat sich dies allerdings noch nicht niedergeschlagen. Zum einen, weil die Hyperkinetische Störung lange als "Kinderkrankheit" angesehen und von der v.a. mit Erwachsenenleiden konfrontierten Neurologie vernachlässigt wurde. Dabei ist sicher auch von Bedeutung, dass einer speziellen Kinderneurologie in Deutschland bislang noch nicht die Rolle zukommt, wie sie diese Disziplin beispielsweise in den USA hat. Zum anderen verfügen Neurologen meist nicht über das psychologische und psychiatrische Wissen, das neben einer Diagnose neurologischer Auffälligkeiten für die umfassende Therapie der Störung nötig ist. Dennoch können sie gegebenenfalls wichtige Hilfe bei der Abgrenzung der Hyperkinetischen Störung von anderen Auffälligkeiten der Hirnfunktion leisten.

Neurologen sind geeignete Ansprechpartner bei der Untersuchung von:

- Auffälligkeiten der Hirnfunktion, wie sie durch
  Krankheiten oder Schädigungen entstehen
- Störungen der Muskelfunktion (Bewegung und
  Haltung - u.a. Ataxie); sie sind im Grunde nicht mit
  Kernsymptomen der Hyperkinetischen Störung zu
  verwechseln, rücken allerdings in jüngster Zeit
  durch bestimmte Therapieformen (u.a.
  Ergotherapie / Sensorische Integration) und
  zahlreiche Elternratgeber mit Ratschlägen zur
  Motorik ins Blickfeld des Interesses
- Störungen der Bewegungssteuerung (z.B. im Fall
  von Spasmen - u.a. Zerebralparese); auch diese
  Bewegungsstörungen sind ihrer Erscheinung nach
  nicht mit Symptomen der Hyperkinetischen
  Störung zu verwechseln, doch nähern sich durch
  die wissenschaftliche Erforschung motorischer
  Prozesse die Felder und v.a. die Kompetenzen
  einzelner Ärzte auf beiden Gebieten an
- Epilepsien (s.o. unter Kinder- und Jugendarzt)

Die Radiologie ist die medizinische Fachdisziplin, die sich mit der diagnostischen und therapeutischen Anwendung von "Strahlung" befasst. Was auf dem Gebiet der Therapie nach Krebsbehandlung klingt, ist auf Seiten der Diagnose Alltag: Röntgenaufnahmen, aber auch Funktionsuntersuchungen mittels der Computer-Tomographie gehören zum Geschäft des Radiologen. V.a. letztere gewinnen - derzeit jedoch meist noch auf die wissenschaftliche Erforschung der Hyperkinetischen Störung beschränkt - zunehmend an Bedeutung. Durch moderne radiologische Verfahren konnte z.B. die Wirkung des Methylphenidats (der Wirkstoff in Medikamenten wie Ritalin ®) z.T. sichtbar gemacht werden. Für alltägliche Untersuchungen sind solche Diagnoseverfahren jedoch viel zu teuer. Zudem gibt es v.a. bei Kindern und Jugendlichen Vorbehalte gegen Untersuchungsmethoden, die möglicherweise riskante Eingriffe erfordern. Dazu zählt auch das Einführen von sog. Kontrastmitteln, d.h. Substanzen, die bestimmte Areale oder Funktionen des Gehirns erst darstellbar machen. Dennoch steht die Erforschung und diagnostische Nutzbarmachung moderner radiologischer Techniken erst am Anfang. Da sie - bei Kenntnis der relevanten Funktionen - sehr genaue Informationen über das Gehirn liefern und ihre Verfeinerung eine immer geringere Belastung des Patienten darstellt, werden radiologische Verfahren vielleicht schon in zehn oder zwanzig Jahren zum diagnostischen Standardprogramms bei Verdacht auf eine Hyperkinetische Störung gehören.

 

Neurologen und Radiologen können durch ihre speziellen fachärztlichen Kenntnisse zur Diagnose, v.a. zur besseren Abgrenzung von Störungen im Bereich der Psychiatrie beitragen. Während die Neurologie aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung für den Umgang mit der Hyperkinetischen Störung bedingt vorbereitet ist, müssen radiologische Verfahren wie z.B. die Computer-Tomographie ihre Alltagstauglichkeit erst herstellen. Beiden Facharztrichtungen wird in Zukunft jedoch absehbar mehr Bedeutung v.a. in der Diagnose der Störung zukommen.

Vorzüge des Neurologen:

- spezifische Kenntnisse in
  der Diagnose und Therapie
  von Funktionsstörungen im
  gesamten Nervensystem
- spezielles Wissen im Bereich
  der Bewegungssteuerung
  bzw. der Haltungs- und
  Bewegungsfunktionen
- häufig wissenschaftlich
  orientiert (v.a. in Kliniken),
  daher nicht selten auf
  dem neuesten Stand des
  Fachwissens
- Ansprechpartner bei
  Epilepsie

Mögliche Nachteile des Neurologen:

- Experten für Kinder-
  Neurologie eher selten
  und häufig nicht mit
  speziellen Kenntnissen
  zur HKS / ADHS
- z.T. nur eingeschränkte
  entwicklungspsycholog.
  Kenntnisse
- Fachleute bisweilen stark
  wissenschaftlich orientiert,
  d.h. therapeutisch nur
  eingeschränkt aktiv

Besondere Kompetenzen des Radiologen:

- Experte für bildgebende
  Verfahren, d.h. in Zukunft
  wachsende Bedeutung
  für die Diagnose der
  Hyperkinetischen Störung
- liefert wichtige Beiträge
  für das wissenschaftliche
  Verständnis der Störung

Allergologe

Zusätzliche Qualifikation im Rahmen der fachärztlichen Ausbildung

Allergologen sind Fachärzte unterschiedlicher medizinischer Fachrichtungen, die sich zusätzlich auf dem Gebiet der Allergiebehandlung qualifiziert haben. I.d.R. handelt es sich dabei um Hautärzte (Dermatologen), Hals-Nasen-Ohrenärzte, Fachärzte für Innere Medizin (Internisten) oder Allgemeinärzte. Allergien bzw. Nahrungsmittelunverträglichkeiten waren lange als Ursache der Hyperkinetischen Störung im Gespräch (v.a. Phosphate, Zucker). Heute geht man davon aus, dass allenfalls eine kleine Gruppe von Betroffenen primär aufgrund von Allergien Symptome der Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität zeigt. Dies schlägt sich in einer nachweislich geringen Wirksamkeit auch umfangreicher diätischer, d.h. die Ernährung beschränkender Maßnahmen wie z.B. phosphatfreier, zuckerarmer oder oligoantigener, auf zahlreiche bekanntermaßen allergieverursachende Nahrungsmittel verzichtender Kost nieder. Eine umfassende unmittelbare Differenzierung denkbarer allergieauslösenden Stoffe von anderen in Frage kommenden Umwelteinflüssen ist kaum zu leisten, denn neben der Vielfalt unserer Nahrung sind wir auch zahlreichen Substanzen in der Luft, natürlicher und künstlicher Strahlung sowie sozialen (psychischen) Einwirkungen ausgesetzt. Dennoch können Allergien mittelbar verschiedene Symptome hervorrufen, die der Symptomatik der Hyperkinetischen Störung oft ähnlich erscheinen. Schließlich kann beispielsweise Juckreiz äußerst quälend sein und die Konzentration auf Unterricht oder Arbeit stark behindern.

Allergien sollten ausgetestet werden, wenn

- neben der hyperkinetischen Symptomatik noch
  andere Anzeichen von allergischen Reaktionen
  oder Nahrungsmittelunverträglichkeit bestehen
  (z.B. Heuschnupfen, Asthma, Hautauschläge nach
  dem Verzehr bestimmter Produkte, etc.)
- Allergien in der Familie gehäuft auftreten
- regelmäßig bestimmte Medikamente
  eingenommen werden
- der begründete Verdacht besteht, dass die 
  Umwelt (Erdboden, Bausubstanz, Möbel, etc.)
  mit möglicherweise unverträglichen Substanzen
  belastet sein könnte

Ein fester Zusammenhang zwischen Allergien und der Hyperkinetischen Störung besteht nicht. Diäten oder räumliche Veränderungen (spezielle Bausubstanzen, Abschirmungen oder Raumgestaltung) zeigen i.d.R. keinen überzufälligen Effekt in der Behandlung der Hyperkinetischen Störung. Ob und inwieweit eine diagnostizierte Allergie zu Verhaltensauffälligkeiten wie Unaufmerksamkeit oder Hyperaktivität beiträgt, kann nur eine erfolgreiche Behandlung der Allergie zuverlässig klären. Eine Komorbidität von Allergie und Hyperkinetischer Störung ist nach Ausschluss anderer Faktoren (z.B. Konsequenzen gesundheitsschädlicher Verhaltensweisen für das Immunsystem) vermutlich so häufig wie das zufällig gemeinsame Auftreten beider Leiden.

 

Allergologen sind Experten verschiedener Facharzt- Richtungen, die sich zudem auf die Diagnose und Behandlung von Allergien spezialisiert haben. Rund 1/3 aller Kinder und Jugendlichen leidet heute unter einer der zahlreichen Allergieformen. Daher ist anzunehmen, dass auch ein vergleichbarer Anteil der hyperkinetischen Kinder zugleich allergische Reaktionen auf Nahrung oder Substanzen in der Luft zeigt. Allergien können zur äußerlichen Verstärkung der  sichtbaren Symptome einer Hyperkinetischen Störung beitragen, u.a. die Unruhe (als Folge von Juckreiz), die Ablenkbarkeit (aufgrund der unangenehmen Empfindung) und die Reizbarkeit (Ärger über die störende Wirkung der Allergie) verschärfen. Allergien sind jedoch keine Ursache der Hyperkinetischen Störung.

Vorzüge des Allergologen:

- Kenntnisse über mögliche
  Auslöser hyperkinetischer
  Symptome durch Stoffe
  v.a. in Luft und Nahrung
- wichtig für die Diagnose
  und Therapie komorbider
  Allergien, welche die
  Symptome der HKS
  verstärken können

Mögliche Nachteile des Allergologen:

- gelegentlich kommt es
  vor, dass Fachleute einer
  Disziplin - beileibe nicht
  nur Ärzte! - eine Vielzahl
  von Problemen und ihre
  Lösung verstärkt für ihr
  Fachgebiet reklamieren;
  wenn die Therapie einer
  Allergie als mutmaßlicher
  Ursache einer HKS keine
  merkliche Verbesserung
  der Symptomatik bringt,
  sollten stets auch andere
  Diagnose- und Therapie-
  Wege beschritten werden

Ohrenarzt

Hals-Nasen- Ohren-Arzt

 

Augenarzt

Facharzt für Augenheilkunde

Hören und Sehen sind elementare Voraussetzungen für das Lernen eines Kindes und für jede alltägliche Kommunikation auch unter Erwachsenen. Während der Verlust der Seh- oder Hörfähigkeit Erwachsene "nur" in ihrem aktuellen sozialen Kontakt einschränkt (was nichtsdestotrotz zu erheblichen Auffälligkeiten im Verhalten führen kann), sind die Effekte solcher oftmals leider erst spät bemerkter Behinderungen in der Phase kindlicher Entwicklung kaum abzuschätzen. Bereits im dritten Lebensjahr lernt ein Kind zu rund 90 Prozent mittels der Sprache. Leidet es an physischen Einschränkungen des Hörvermögens, ohne dass dies rechtzeitig diagnostiziert und wirksam behandelt wird, verpasst es zahlreiche Gelegenheiten der sozialen Kontaktaufnahme und des Lernens. Meist gerät es so mit seiner gesamten Entwicklung ins Hintertreffen und zeigt wachsende Schwierigkeiten, sich an die sozialen Bedingungen seiner Umwelt anzupassen. Ähnliches gilt für leichte Sehbehinderungen, die u.U. erst nach mehreren Schuljahren auffallen. Inzwischen hat das Kind jedoch viele Lernprozesse nicht entsprechend den schulischen Anforderungen durchlaufen und leidet unter Defiziten, da es Tafeldarstellungen nicht entziffern und visuelle Signale in der Gemeinschaft nur schwer erkennen kann. Aus Beschränkungen beider Sinnesmodalitäten können somit im wechselseitigen Vorgang des Nichterkennens und Nichtverstehens sowie der ungenügenden sozialen Anpassung und den verständnislosen Reaktionen der Umwelt massive Verhaltensauffälligkeiten und schließlich -störungen entstehen. Hör- und Sehtests sollten daher zum festen Programm jeder Untersuchung auch psychiatrischer Symptomatik gehören.

Hals-Nasen-Ohrenärzte (HNO-Ärzte) sind immer zu konsultieren, wenn

- Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen
  auftreten; um Regeln verstehen und einhalten zu
  können, muss ein Kind Sprache richtig hören
- das Sprachverständnis eingeschränkt erscheint;
  manche HNO-Ärzte, die sich auf den Umgang
  mit Kindern spezialisiert haben, führen mittlerweile
  sog. pädaudiologische Untersuchungen durch,
  die nicht nur das physische Hörvermögen, sondern
  auch Hörverständnisleistungen erfassen
- häufig grippale Infekte oder Entzündungen des
  Ohres bzw. der Hörwege
beobachtet werden;
  auch wenn die Hörleistung in Phasen der 
  Gesundheit normal ist, können zahlreiche längere
  Abschnitte von Krankheit zur Ansammlung von
  Lern- und Anpassungsdefiziten führen

Eine augenärztliche Kontrolle der Sehfähigkeit sollte wie regelmäßige pädiatrische Untersuchungen zur Standarddiagnostik in allen Phasen der Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen gehören. Liegt zum Zeitpunkt einer kinder- und jugendpsychiatrischen Untersuchung aufgrund von Lern-, Leistungs- oder Verhaltensstörungen kein aktueller augenärztlicher Befund vor, sollte dieser eingeholt werden. Besteht ein Verdacht auf Wahrnehmungsstörungen, müssen diese, unabhängig von einem unauffälligen Befund des Augenarztes, mit neuropsychologischen Tests untersucht werden. Allerdings ist der Einfluss vieler heute diagnostizierbarer tatsächlicher oder auch vermeintlicher Wahrnehmungsstörungen auf Lernen und Verhalten kritisch zu betrachten. Nur erhebliche isolierte Einschränkungen rechtfertigen die Hoffnung, dass komplexe Lernstörungen oder Verhaltensmuster in erster Linie auf diesen Defiziten beruhen und mittels basaler Wahrnehmungstrainings o.ä. nachhaltig zu beeinflussen sind.

Hör- und/oder Sehstörungen sind keine Ursachen der Hyperkinetischen Störung. Aus Defiziten im Hören und Sehen resultiert daher keine unmittelbaren Störung der Aufmerksamkeit oder des Verhaltens. Dennoch ist der Einfluss unerkannter Schwierigkeiten beim Hören oder Sehen auf die kindliche Entwicklung groß. Zudem genügen häufig einfachste Maßnahmen, um diese Einschränkungen zu korrigieren bzw. durch Anpassung des Erziehungsverhalten sowie der Beschulung in vielen Bereichen wirksam auszugleichen.

 

HNO- und Augenarzt als die Experten für die zentralen Wahrnehmungsorgane Ohr und Auge sollten stets dann konsultiert werden, wenn Defizite in der Beherrschung komplexer Fertigkeiten oder der Verhaltenssteuerung auf  Wahrnehmungsprobleme hinweisen. Zwar prüfen sie i.d.R. nur die physischen Voraussetzungen des Hörens bzw. Sehens, doch werden organische Einschränkungen bisweilen nicht rechtzeitig erkannt oder in ihrer Bedeutung für den Aufbau kognitiver Fähigkeiten und die Verhaltenssteuerung gewürdigt.

Vorzüge der Fachärzte für Ohren und Augen:

- Experten für die Funktion
  der Sinnesorgane
- verfügen über die appa-
  rativen Voraussetzungen
  zur Überprüfung der
  Leistungsfähigkeit der
  Sinnesorgane

Mögliche Nachteile bei der Beschränkung auf eine reine Funktionsprüfung der Sinnesorgane:

- falls Hör- oder Sehstörungen
  bei Vorliegen einer 
  Hyperkinetischen Störung 
  diagnostiziert werden,
  besteht bisweilen die
  Gefahr, dass die Symptome
  vorschnell auf organische
  Beeinträchtigungen des
  Hörens oder Sehens
  zurückgeführt werden

Ärzte für Erwachsene

Foto: The Institute of Pennsylvania Hospital, die älteste Psychiatrie in den USA

Für die Diagnose der Hyperkinetischen Störung im Erwachsenenalter sind mit Ausnahmen die gleichen Ärzte zuständig wie bei Kindern und Jugendlichen. Primärer Ansprechpartner ist der Hausarzt, meist ein Facharzt für Allgemeinmedizin. Er überweist an einen weiteren Facharzt, i.d.R. einen Psychiater oder einen Neurologen. Da die Hyperkinetische  Störung sowohl in der ICD-10 der WHO als auch dem DSM-IV der APA unter den Störungen mit Beginn in Kindheit und Jugend steht (was ja sachlich richtig ist), diese große Gruppe von psychiatrischen Störungen allerdings seitens der Erwachsenenpsychiater stiefmütterlich behandelt wird, kam es in Deutschland erst in den letzten Jahren zur vermehrten Diagnose der HKS durch Psychiater. Viele Betroffene wurden zuvor - und werden bis heute - trotz augenfälliger Symptomatik v.a. mit psychiatrischen Diagnosen aus dem Bereich der Persönlichkeitsstörungen belegt (u.a. Borderline). Auch die Neurologie steht erst an den Anfängen eines angemessenen therapeutischen Umgangs mit der Hyperkinetischen Störung.

Obwohl die Diagnose der Hyperkinetischen Störung bei Erwachsenen eigentlich aufwendiger als im Fall von Kindern sein müsste, da neben der aktuellen Symptomatik der Nachweis der Betroffenheit bereits im Kindesalter geführt werden soll, ist der Umfang des diagnostischen Prozesses i.d.R. eher geringer. Dies liegt daran, dass eine Reihe von Fragestellungen, die in Kindheit und Jugend wichtig sind, für Erwachsene kaum mehr eine Bedeutung haben. Dazu zählt v.a. die Abgrenzung der Hyperkinetischen Störung von Entwicklungs-, Lern- und Leistungsstörungen. Ohne Zweifel mögen die Folgen solcher Defizite noch im Erwachsenenalter wirksam sein, doch für die Wahl der therapeutischen Maßnahmen sind sie nicht weiter von Belang. Diagnostische Informationen sollten aber nur dann erhoben werden, wenn sie im weiteren der Behandlung des Patienten dienen. Darüber hinaus stößt der Rückgriff auf Beobachtungen Dritter, meist Familienmitglieder und Freunde des Erwachsenen, an Grenzen. Nicht nur, dass diese Datenquellen kaum umfänglich zur Verfügung stehen und, insofern sie zumeist vom Betroffenen selbst benannt werden, der gleichen Subjektivität wie sein Bericht unterliegen. Es stellt sich auch die Frage, inwieweit ein Arzt das Recht hat, die Angaben seines mündigen Patienten durch Aussagen anderer Personen zu überprüfen und/oder zu ergänzen. Zumindest für psychotherapeutische Interventionen stellt ein solches Vorgehen, wenn es gegen den Willen des Betroffenen geschieht, keine gute Grundlage dar. Hier sollte der Arzt neben einer ausführlichen Anamnese sowie neuropsychologischen Testung v.a. sein Wissen und seine Erfahrung zu Rate ziehen. Schließlich geschieht auch die Behandlung des Erwachsenen in beiderseitiger Verantwortung und muss hier so sehr auf die Zuverlässigkeit des Patienten vertrauen wie im Fall des Kindes oder Jugendlichen auf die der Eltern und Erzieher.

Im Erwachsenenalter differentialdiagnostisch zu betrachtende Störungen bzw. Umstände:

- Alle oben genannten psychiatrischen und
  neurologischen Störungen
, die im Kindes- und
  Jugendalter auftreten können, sind auch bei
  Erwachsenen zu beobachten; i.d.R. ist es jedoch
  eher unwahrscheinlich, dass solche Defizite und
  Krankheiten nicht bereits früher aufgefallen sind,
  so dass bei "neuen" Beschwerden ohne erkenn-
  und zurückverfolgbare Geschichte in Kindheit
  und Jugend der Fokus auf anderen Ursachen,
  nicht auf der Annahme einer Hyperkinetischen
  Störung liegen sollte.
- Stress gehört zum Alltag unserer Gesellschaft;
  die Lern- und Leistungsanforderungen auch an
  Erwachsene nehmen in unserer Kultur beständig 
  zu, so dass das subjektive Empfinden, der Kontrolle
  des eigenen Lebens nicht mehr vollständig 
  gewachsen zu sein, weit verbreitet ist; Unruhe
  und Unaufmerksamkeit werden unter diesen
  Umständen bisweilen in einem Maße als auffällig
  erlebt, das nicht der Wirklichkeit entspricht; eine
  Diagnosestellung im Erwachsenenalter sollte
  daher insbesondere psychosoziale Stressoren in
  Betracht ziehen, wenn seitens der Patienten
  Nervosität und Zerstreutheit berichtet werden.
- Insbesondere die Aufmerksamkeitsleistungen des
  menschlichen Gehirns sind im Erwachsenenalter
  stark vom Gebrauch des Gedächtnisses abhängig;
  die aktive geistige Auseinandersetzung mit
  intellektuell anspruchsvollen Themen sowie ein
  kontinuierliches Gedächtnistraining erhalten die
  zugrundeliegenden Funktionen und Strukturen;
  mangelndes Denken und geringes aktives Erinnern
  führen zum Verfall des Gedächtnisses
und langfristig
  auch seiner neuronalen Grundlage; Defizite in
  der Aufmerksamkeitsleistung, die nicht bereits im
  Kindesalter aufgefallen sind und nicht mit
  Symptomen der Impulsivität und Hyperaktivität
  einhergehen, können mannigfaltige Ursachen
  jenseits einer Hyperkinetischen Störung haben;
  meist bessert eine Medikation mit Stimulanzien die
  Symptomatik durch die kortikale Aktivierung auch
  dann, wenn keine HKS vorliegt; die allgemeinen
  kognitiven Effekte von Stimulanzien sind kein
  Diagnosekriterium, schränken ihre Anwendbarkeit
  somit allerdings auch nicht spezifisch ein.

Radiologische Untersuchungen sowie die Überprüfung der Hör- und Sehleistung machen im mittleren und höheren Erwachsenenalter v.a. dann Sinn, wenn eine akute Symptomatik vorliegt: bei merklicher Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit bzw. der Leistungen der Sinnesorgane. In diesem Fall kommen vielfältige Ursachen für solche degenerativen, d.h. Fähigkeiten abbauenden Prozesse in Frage. Sie sind entweder Teil der natürlichen Entwicklung, insofern der Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit stark von der Aktivität des Menschen abhängt und unsere Gesellschaft zur Entlastung älterer Menschen bzw. bestimmter sozialer Gruppen von der Notwendigkeit des Arbeitens neigt. Kognitive Abbauprozesse können jedoch auch ein Symptom krankhafter Veränderungen sein, die mit zunehmendem Alter häufiger werden. Sie können mittels bildgebender Verfahren heute oft frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden. Einerseits sollte also das subjektive Empfinden von Unruhe, Nervosität oder Aufmerksamkeitsproblemen bei Erwachsenen nicht automatisch als Ausdruck einer psychiatrischen Störung gewertet werden. Andererseits legt eine akute Symptomatik, d.h. eine merkliche Veränderung der Leistungsfähigkeit innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes eine Reihe von möglichen Ursachen nahe, denen sicherheitshalber nachgegangen werden sollte, um beispielsweise fortschreitende Erkrankungen des Nervensystems auszuschließen. Die Diagnose einer Hyperkinetischen Störung im Erwachsenenalter macht für die Betroffenen nur dann Sinn, wenn im Verhalten ein alle Lebensphasen durchziehendes Muster an spezifischen Auffälligkeiten erkennbar ist, die noch zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eine merkliche Einschränkung der Lebensqualität bedeuten und im Namen der Diagnose eine hilfreiche Therapie möglich ist. Dazu zählt auch, dass die Diagnose eine aktive Auseinandersetzung mit stets gegebenen anderen Faktoren der aktuellen Lebenssituation nicht lähmt oder verhindert, sondern die Behandlung gerade als verbesserte Grundlage zur Bewältigung der jeweiligen Lebensaufgaben verstanden wird.

Die Diagnose einer Hyperkinetischen Störung im Erwachsenenalter kann für den Betroffenen hilfreich sein. Sie sollte jedoch von kompetenten Fachärzten (Psychiater / Neurologe) vorgenommen werden und die therapeutische Perspektive miteinschließen.

 

Die Hyperkinetische Störung ist auch bei Erwachsenen eine gültige und sinnvolle Diagnose, sofern die akute Symptomatik für die Person eine merkliche Einschränkung der Lebensqualität bedeutet. Leider ist die kompetente ärztliche Versorgung für die Betroffenen bislang mager. Jedoch zeichnen sich zwei Gruppen von Fachärzten als geeignete Ansprechpartner zur Diagnostik und Therapie ab: Erwachsenenpsychiater und Neurologen. Da die Störung jedoch hierzulande bis vor wenigen Jahren als reine "Kinderkrankheit" galt, gibt es wenig ausgewiesene Experten für Erwachsene. Sie sind in der Regel am ehesten über einschlägige Foren im Internet bzw. örtliche Elternkreise ausfindig zu machen.

Vorzüge der Psychiater und Neurologen:

- sie sind sie primären
  Ansprechpartner für
  psychiatrische Störungen,
  zu denen auch die
  Hyperkinetische Störung
  zählt
- Fachärzte müssen im
  Rahmen ihrer Facharzt-
  Ausbildung ein Jahr in
  einer verwandten Disziplin
  lernen und arbeiten; daher
  haben v.a. Psychiater für
  Erwachsene bisweilen
  auch Kenntnisse in der
  Kinder- und Jugendpsych.
  und kennen das Bild der
  Hyperkinetischen Störung
- Neurologen sind Experten
  für das gesamte Nerven-
  system; sie sind i.d.R.
  differentialdiagnostisch
  kompetent und (v.a. in
  Klinikambulanzen und
  größeren Praxen) apparativ
  gut ausgestattet

Mögliche Nachteile von Psychiatern und Neurologen:

- da die Hyperkinetische
  Störung lange als reine
  "Kinderkrankheit" galt, tun
  sich viele Ärzte mit
  vornehmlich erwachsenen
  Patienten schwer, die
  Störung zu erkennen und
  angemessen zu behandeln
- die Diagnoseleitlinien für
  die HKS sind in den
  bekannten Manualen
  sowie in wissenschaftlichen
  Publikationen v.a. auf
  Kinder ausgerichtet;
  zahlreiche, allenfalls
  oberflächlich modifizierte
  Kriterien sind auf
  Erwachsene kaum
  sinnvoll anwendbar
- auch im Erwachsenenalter
  ist neben der Medikation
  eine verhaltenstherapeut.
  Intervention wirksam und
  angezeigt; die Zahl der
  diesbezüglich qualifizierten
  Erwachsenentherapeuten
  ist jedoch gering und
  viele Ärzte scheuen sich,
  die Dringlichkeit einer
  solchen Behandlung zu
  unterstreichen

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