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für Familien mit verhaltensauffälligen Kindern
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Verhaltenstraining
Dr. Johannes Streif

 

 

 

 




 

 

eltern - lehrer - professionals - kinder

 

Niklas ist in einer Klasse eigentlich untragbar. Wir haben uns die Schülerakte aus seiner vorherigen Schule kommen lassen. Ich meine, es ist ja nicht meine Sache, aber dass die ihn so lange behalten haben, das kann ich mir nur mit privaten Absprachen erklären. Dabei ist Niklas eigentlich kein frecher oder böser Schüler. Die Akte liest sich eher wie eine Krankengeschichte. Sein Verhalten ist nicht einfach unangemessen: Es ist unverständlich, absurd, unberechenbar. Das macht ihn für eine Schulklasse so schwierig. Die Mitschüler wissen nicht, wie sie mit ihm umgehen sollen. Ja, sie haben fast Angst vor ihm, gerade weil sie ihn auch mögen. Mir geht es da nicht anders.

Niklas Lehrer

 

Das Verhaltenstraining für Lehrer

Nach den Eltern sind Lehrer in unserer Gesellschaft die wichtigsten Personen im Umfeld eines Schulkindes. Schulerlebnisse zählen zu den lebendigsten Erinnerungen eines Erwachsenen an seine Kindheit. Zahlreiche Anekdoten über strenge Lehrer, wilde Klassenfahrten und üble Schülerstreiche füllen nicht nur die privaten Geschichten, die wir selbst unseren Kindern erzählen, sondern sind in Büchern und Filmen zu Klassikern geworden. "Die Feuerzangenbowle" oder "Das fliegende Klassenzimmer" sind keine authentischen Schulgeschichten - sie sind das Bild der Erwachsenen von Schule. Sie belegen, wie sehr Freude, Ängste und Hoffnungen der Schülerzeit uns in der Erinnerung nahe geblieben sind, wie sehr wir noch als Erwachsene durch unser Verhältnis zur Schule bestimmt werden. Auch wenn nicht wenige Lehrer in Zeiten wachsender pädagogischer Herausforderungen die Erziehungsaufgabe der Schule bestreiten, so ist doch vor allem das Verhältnis der Grundschulkinder zu ihren Lehrerinnen und Lehrern eine Zuneigung oder auch Verweigerung, die dem Verhältnis der Kinder zu ihren Müttern und Vätern vergleichbar ist. In diesem Sinne kann sich ein Lehrer der Größe, aber auch dem Leid einer persönlichen Verantwortung für das einzelne Kind kaum entziehen. Autorität und Stärke haben ihren Ursprung nicht in der persönlichen Macht der Lehrenden; sie werden Lehrern von ihren Schülern angetragen. Diese herausragende Rolle - warum auch immer - aufzugeben, bedeutet, einen Teil der Aufgabe des Lehrens auszulassen: Anerkennung und Respekt in der Gesellschaft zu fordern und zu fördern. 

 

Lehrer

von mhd. leraere, ahd. lerari: jemand, der an einer Schule unterrichtet; ein guter, erfahrener Lehrer; Lehrerin; Lehrerberuf; Lehrermangel

Deutsches Universalwörterbuch
Duden (1989) S.940

Die zweite Ausbaustufe des therapaed Verhaltenstrainings wird sich an Lehrerinnen und Lehrer richten. Diese Berufsgruppe gehört in gewissem Sinne zu den "Opfern" der großen gesellschaftlichen Veränderungen in den letzten 50 Jahren. Das Ansehen des Lehrerberufs ist seit langem im Sinken; von der - neben Pfarrer und Bürgermeister - einstmals herausragenden Stellung des Lehrers im öffentlichen Leben einer Gemeinde ist kaum mehr als ein seltsamer Neid auf die vermeintlichen materiellen Vorteile geblieben. Eine Haltung, die desto seltsamer anmutet, je mehr die Medien in der Öffentlichkeit das Bild zunehmend verhaltensgestörter Kinder zeigen. Wer will angesichts dieses "Publikums" noch Lehrer sein - und sind die Lehrer von heute im Umgang mit auffälligen Kindern nicht hilfloser denn je?!

 

Es begann in Kristins Küche, als ich ungefähr fünf Jahre alt war. Bis dahin war ich ein kleines Tier gewesen, das mit Augen, Ohren und allen Sinnen nur das in sich eingesogen hatte, was Natur war. Dass es auch Kultur gab, erfuhr ich erst, als ich auf Kinderbeinen in Kristins Küche stiefelte, wo mich überraschend ein Hauch davon streifte. Kristin war mit unserem Kuhknecht verheiratet, und was wichtiger war, sie war Edits Mama. Diese Edit - gesegnet sei sie jetzt und allezeit - las mir das Märchen vom Riesen Bam-Bam und der Fee Viribunda vor und versetzte meine Kinderseele dadurch in Schwingungen, die bis heute noch nicht ganz abgeklungen sind. In einer seit langem verschwundenen, armseligen kleinen Häuslerküche geschah dieses Wunder, und seit jenem Tage gibt es für mich in der Welt keine andere Küche.

Astrid Lindgren
Das entschwundene Land
Oetinger (1977) S.69

Zur Eigentümlichkeit des gewandelten Status von Lehrern in der Öffentlichkeit gehört auch das gespaltene Verhältnis zu deren Kompetenz und Autorität. Einerseits wird - wie die PISA-Studie mit ihrem für Deutschland vernichtenden Ergebnis erst jüngst zeigte - der Qualitätsverfall des Unterrichts beklagt. Diese Verschlechterung lastet man nicht nur dem Schulsystem im allgemeinen, sondern u.a. einer mangelnden pädagogischen Qualifizierung und persönlichen Eignung vieler Lehrer an. Andererseits wird die Bedeutung des einzelnen Lehrers in seiner Klasse mehr und mehr untergraben. Theoretisch abgehobene Lehrpläne mit detaillierten Vorgaben und generalisierten Prüfungen sollen eine einheitliche Qualität des Unterrichts gewährleisten und machen ihn doch zugleich unpassender für die jeweilige Klassensituation. Immer mehr in ihrem Sozialverhalten nicht hinreichend auf eine Klassengemeinschaft vorbereitete Kinder bedürfen einer eigentlichen Erziehung in der Schule, doch der Handlungsspielraum des Lehrers wird durch Vorschriften, Atteste und eine zunehmende Zahl an Rechtsstreitigkeiten eingeschränkt. Auf die wesentliche Aufgabe, nämlich die Schüler für ein Verhalten zu gewinnen, das man heute weniger denn je erzwingen kann, werden Lehrerinnen und Lehrer nicht vorbereitet. Interdisziplinärer Austausch mit wichtigen angrenzenden Berufen wie Psychologen und Fachärzten wird allenfalls oberflächlich und für den Alltag viel zu akademisch betrieben. Unterstützung können und wollen die bürokratischen Kultusbehörden oft nicht gewähren. Also bleibt nur der bestenfalls resignierte Versuch, unter den gegebenen Umständen mit jenen Schülern weiterzumachen, die trotz aller Widrigkeiten für den Unterricht gewonnen werden können. Die verhaltensauffälligen Kinder werden den Beschränkungen des Schulsystems geopfert.

Eine Investition in Lehrerinnen und Lehrer, die eigentlichen Träger des Schulsystems, zahlt sich zigfach aus. Eine bessere pädagogische Ausbildung und Supervision in der Arbeit helfen den Lehrern, sich den Anforderungen des Unterrichts unter gewandelten gesellschaftlichen Bedingungen zu stellen. Kleinere Klassen und Förderunterricht an den Regelschulen würden Milliardenausgaben für ein ineffektives Sonderschulsystem sparen und zugleich die soziale Integration von vielen Kindern verbessern. Eine in das Schulsystem eingebundene individuelle pädagogische und psychologische Betreuung von Kindern und Familien könnte den Jugendämtern und Krankenkassen gewaltige Kosten ersparen, zumal eine verspätete Intervention für vergleichbare Ergebnisse einen ungleich höheren Einsatz verlangt. Die entscheidende Folge dieser Reformen wäre eine gefestigte gesellschaftliche Stellung von Schule und Lehrern, die ihrer tatsächlichen Bedeutung entspricht. Eine reale Chance, die Kinder etwas zu lehren und ihnen zu helfen, wäre Anerkennung und Ansporn für ein persönliches Engagement von Lehrerinnen und Lehrern, auf das die Schule nie wird verzichten können.

 

Das therapaed Verhaltenstraining für Lehrer vermittelt Fertigkeiten, spezifische Verhaltensauffälligkeiten von Kindern besser erkennen, einschätzen und ihnen begegnen zu können. Dabei ist es auf die Doppelfunktion der Lehrerinnen und Lehrer abgestimmt. Zum einen bietet es Wissen und Techniken v.a. im Umgang mit Störverhalten. Zum anderen thematisiert es die Stellung der Person des Lehrers angesichts eines Schülerverhaltens, das nicht selten auch persönlich belastend und verletzend ist. Darüber hinaus werden Erfahrungen im Umgang mit Eltern vermittelt, um einen konstruktiven Kompromiss aus individuellen Ansprüchen und den Voraussetzungen einer funktionierenden Klassengemeinschaft zu erreichen.

Eine genauere Darstellung des Verhaltenstrainings für Lehrer finden Sie voraussichtlich ab Sommer 2002 auf dieser Homepage. Falls Sie sich als Lehrer/in für ein solches Training interessieren, so teilen Sie uns dies bitte bereits heute mit. Wir werden Sie dann frühestmöglich auf ein entsprechendes Angebot hinweisen. Scheuen Sie sich nicht, auch persönliche Wünsche an ein Verhaltenstraining für Lehrer zu äußern. Über Ihre Anregungen freuen wir uns sehr.

 

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