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für Familien mit verhaltensauffälligen Kindern
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Verhaltenstraining
Dr. Johannes Streif

 

 

 

 




 

 

eltern - lehrer - professionals - kinder

 

Manchmal habe ich Heimweh, wenn ich ins Bett gehe. Dann bin ich ganz allein. Ab und zu schleiche ich mich dann bei einem Freund ins Zimmer und wir liegen gemeinsam unter der Decke. Das hat Mama nie gemacht. Wenn ich allein bin, stelle ich mir vor, dass sie und Papa am Bett sitzen und mich streicheln. Eigentlich mag ich das nicht. Aber ich bin ja selbst schuld, dass ich jetzt hier bin. [...] Ich weiß, warum ich hier bin, es macht mir nichts aus. Daheim wär's besser, glaub' ich wenigstens. Aber mir traut niemand mehr.

Niklas

 

Das Verhaltenstraining für Kinder

Um sie dreht sich bei den therapaed Verhaltenstrainings alles. Der amerikanische Psychologe Ronald J. Comer hat für sein sehr kluges und unterhaltsames Handbuch Klinische Psychologie einen Exkurs über Die Entstehung und Behandlung von Kindheit geschrieben. Es ist aufgebaut wie die Darstellung einer psychischen Störung im DSM (Diagnostical and Statistical Manual of Mental Disorders), dem in den USA gebräuchlichen Diagnosemanual für psychiatrische Erkrankungen. Als Beginn der Krankheit wird die Geburt genannt, als Symptome sind Zwergwuchs, emotionale Unausgeglichenheit und Unreife, Wissensdefizite und Spinatphobie aufgeführt. "Die überwältigende Anzahl von Kindern hat staatliche Maßnahmen unvermeidlich gemacht. Im 19. Jahrhundert wurde das bislang umfangreichste Programm zur Behandlung von Kindheit institutionalisiert - sogenannte Volksschulen. Innerhalb dieses kolossalen Programms erhalten die Individuen je nach Schwere ihres Zustands einen Platz in einer Therapiegruppe. Die schwersten Fälle werden in einen Kindergarten überwiesen. Patienten dieses Niveaus sind typischerweise kurz, ungezogen, emotional unreif und intellektuell unterbelichtet ... Unglücklicherweise ist das Schulsystem zum größten Teil uneffektiv geblieben. Das Programm kostet nicht nur Unsummen von Steuergeldern, es konnte auch nicht die steigende Inzidenzrate von Kindheit verlangsamen. [...] Nachdem man sich jahrelang mit derartigen Frustrationen glaubte abfinden zu müssen, legen nun sensationelle Forschungsergebnisse die Vermutung nahe, dass die Prognose von Kindheit nicht in allen Fällen schlecht sein muss."

 

Kind

mhd. kint, ahd. kind: noch nicht geborenes, gerade oder vor noch nicht zu langer Zeit zur Welt gekommenes menschliches Lebewesen; ein gesundes, neugeborenes, unerwünschtes, langersehntes Kind; das Kind mit dem Bade ausschütten; ein Kind der Liebe; Kinderarbeit; Kinderarzt; Kindernarr; Kindheitserinnerung

Deutsches Universalwörterbuch
Duden (1989) S.834f.

Comers Parodie eines allein auf die Symptome reduzierten Begriffs psychischer Erkrankungen hat einen bitteren Beigeschmack. Tatsächlich treffen die von ihm genannten Kennzeichen von Kindheit ja zu - und aus Sicht der Erwachsenen sind Menschen unter 1,40 m Körpergröße, weinerlich und ohne Allgemeinbildung nicht normal. Diese Sichtweise unterschlägt allerdings, dass Kinder sich entwickeln. Ohne Bezugsrahmen ist jedes Symptom sinnlos: Klein für welches Alter? Emotional unreif im Vergleich mit wem? Ungebildet angesichts welcher Anforderungen?

 

Als ich mich daranmachte, über Michel zu schreiben, war Samuel August für mich mehr wert als jedes Nachschlagewerk. [...] Er erinnerte sich noch an Stiere, die vor einem halben Jahrhundert aufgehört hatten zu brüllen, ja er erinnerte sich einfach an alles. Sogar an jenen Tierarzt, der lange vor der Jahrhundertwende auf unserer Rinderkoppel ein Hengstfohlen zu kastrieren hatte und verlangte, dass Samuel August und sein Bruder Linnert den Kopf des Fohlens halten und ihm als eine Art Narkose tröstend vorsingen sollten: Schon gut, kleines Fohlen, armes kleines Pferd! "Dabei konnte Linnert keinen einzigen Ton treffen", sagte Samuel August entrüstet, als er davon erzählte. Nun kann nicht verschwiegen werden, dass auch Samuel Augusts Singstimme nicht gerade dazu geeignet war, Schmerzen irgendwelcher Art zu lindern. Mit dieser Narkose war es also sicherlich nicht weit her gewesen, armes kleines Pferd!

Astrid Lindgren
Das entschwundene Land
Oetinger (1977) S.98f.

Selbst Fachleute vergessen im Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern häufig die Frage nach dem Bezugsrahmen. Leider sind vor allem im ärztlichen Bereich die entwicklungspsychologischen Kenntnisse nicht selten gering. Das kann sowohl eine übertriebene Diagnosestellung bei psychischen Auffälligkeiten zur Folge haben als auch eine unzureichende Behandlung. Ob man beispielsweise ein unruhiges Kind als hyperaktiv bezeichnen wird, hängt von der Umwelt ab: Ist es deutlich unruhiger als andere Kinder in seinem Alter, in seiner Umgebung und unter seinen Lebensumständen? Mancher Arzt und Therapeut träumt von einer treffsicheren "Diagnosemaschine", die nach festen Kriterien quasi zwangsläufig die richtige Diagnose stellt und die nachweislich beste Therapie verordnet. Eine wohlhabende Familie mit Haus und Garten am Stadtrand wird mit der Hyperaktivität des Sohnes aber anders umgehen können als eine alleinerziehende Mutter in ihrer kleinen und hellhörigen Stadtwohnung. Selbst für eine medikamentöse Behandlung sind soziale Kriterien durchaus legitim, wenn z.B. die Einnahme von Tabletten dort hilft, wo andere Maßnahmen nicht schnell und zuverlässig genug Abhilfe schaffen können. Jede Intervention in der Behandlung verhaltensauffälliger Kinder muss daher berücksichtigen, was die Umwelt des Kindes erfordert und leisten kann. Und sie muss zwischen den Aufgaben unterscheiden können, die für die Entwicklung des Kindes wichtig sind oder nur eine vorübergehende Bedeutung im sozialen Kontext haben.

Für die Betreuung und Therapie von Kindern werden in unserer Gesellschaft heute Milliarden an Euro ausgegeben. Das ist an sich gut investiertes Geld. Im Einzelfall sind jedoch viele therapeutische Maßnahmen weitaus zu teuer dafür, dass sie spezifische Probleme mit unspezifischen Mitteln angehen. Oft wäre die Anleitung von Eltern, Lehrern und Erziehern wesentlich effektiver, denn der gesunde Alltag der verhaltensauffälligen Kinder besteht ja gerade nicht aus Therapie, sondern aus Familie, Schule und Freizeit. Das soll nicht heißen, dass die individuelle therapeutische Begleitung eines Kindes unter bestimmten Voraussetzungen keinesfalls sinnvoll sein kann. Eine entspannte Stunde pro Woche in der Spieltherapie kann jedoch das entspannte Spiel in der Familie nicht ersetzen. Die Verbesserung feinmotorischer Fertigkeiten durch Ergotherapie mag Erfolge zeigen, aber diese Kompetenzen sind drittrangig nach sozial-kommunikativen Fertigkeiten und Schulleistungen. Deshalb kann auch ein Verhaltenstraining für Kinder und/oder Jugendliche "nur" in einem begrenzten Zeitrahmen an das soziale Lernen in einer besonderen Freizeit-Gemeinschaft appellieren. Inwieweit die Kinder das hier gelernte Verhalten auch in Familie und Schule zeigen, hängt im wesentlichen davon ab, dass es auch in diesen Umgebungen Sinn macht und gewürdigt wird.

 

therapaed arbeitet derzeit an Konzepten eines Verhaltenstrainings für Kinder und Jugendliche. Weniger noch als im Fall der Eltern und Lehrer wird es einen therapeutischen Charakter haben. Bei den Kindern soll es gerade nicht um die in vielen Therapien, aber auch in manchen pädagogischen Einrichtungen überbetonte Reflexion des auffälligen Verhaltens gehen. Eine solche "Selbstbetrachtung" der eigenen problematischen Verhaltensweisen ist für Kinder wie Erwachsene ein peinliches und meist widersinniges Unterfangen. Es stellt ausgerechnet die unerwünschte negative Seite der Person heraus, übertreibt die soziale Bedeutung einer Störung und lässt eine künstliche Beziehung zwischen Therapeut und Patient entstehen, die durch das Unbehagen in der Situation zugleich belastet wird. Grundidee der therapaed Verhaltenstrainings ist es jedoch, eine Lernsituation zu schaffen, welche die Akzeptanz des Verhaltens begünstigt. Bei verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen heißt das, den Vorteil angemessenen Sozialverhaltens spielerisch zu erproben und im Alltag spürbar zu machen.

Da Erziehung von Kindern dann am wirksamsten ist, wenn sie als ein natürlicher und selbstverständlicher Teil des Alltag praktiziert und erlebt wird, planen wir, das Verhaltenstraining nicht als isoliertes Programm an Nachmittagen anzubieten, sondern als Wochenend- oder Ferienprogramm im Rahmen eines größeren Freizeitangebots. Dies könnte beispielsweise ein Hüttenaufenthalt in den Bergen sein, bei dem die Trainingsstunden nur einen Teil des gemeinschaftlichen Erlebens ausmachen. Inwieweit die Eltern bei einem solchen Angebot miteinbezogen werden können und sollen, ist noch offen. Für Anregungen sind wir stets dankbar.

 

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Bei Fragen setzen Sie sich bitte per E-Mail oder telefonisch mit uns in Verbindung. Danke für Ihr Interesse!
 

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